
Im Vorfeld der Reisewelle in den baden-württembergischen Sommerferien äußert sich als Experte dazu der Leiter der Abteilung Infektionsschutz und Umwelthygiene des Gesundheitsamts der Landeshauptstadt Stuttgart, Dr. Florian Hölzl. In einem Interview erläutert er die Rolle der Asiatischen Tigermücke beim Infektionsgeschehen und die Relevanz für Stuttgart.
Überrascht Sie die Meldung aus dem Elsass?
Hölzl: Nein, als Überraschung kann ich die Meldung nicht bezeichnen. Denn zu Infektionen mit Tropenkrankheiten wie dem Dengue-Fieber ist es durch eingewanderte Stechmücken in Europa schon öfter gekommen, in Frankreich und Italien zum Beispiel. Die Übertragung von Chikungunya funktioniert grundsätzlich ähnlich, daher war es nur eine Frage der Zeit. In Deutschland ist das zwar noch nicht aufgetreten, aber eine Weiterverbreitung der Asiatischen Tigermücke als sogenannter Vektor macht Übertragungen auch bei uns immer wahrscheinlicher.
Aktuell sind die Chancen dafür noch gering, aber wir müssen diesen Fall als Mahnung dafür nehmen, uns gegen die wachsende Gefährdung durch diese invasive Tierart zu wappnen.
Wie kann es denn dazu kommen? Wie wahrscheinlich ist eine Infektion?
Hölzl: Einer der Überträger des Chikungunya-Virus ist die Asiatische Tigermücke. Durch die Klimaerwärmung fühlen sich diese Insekten inzwischen auch bei uns wohl und können den Winter überdauern. Eingeschleppt durch den globalen Reise- und Güterverkehr haben sie sich in den vergangenen Jahren im Südwesten angesiedelt, auch in der Region Stuttgart.
Die bei uns inzwischen heimische Tigermücke selbst trägt Chikungunya oder auch Dengue nicht in sich, sondern sie kann es nur weitergeben, wenn dasselbe Tier zuerst einen erkrankten Menschen sticht, das Virus aufnimmt und bei einem anschließenden Stich überträgt. Die Erkrankungen müssen also aus dem Ausland eingeschleppt werden, in aller Regel durch einen erkrankten Reiserückkehrer. Deshalb ist es wichtig, dass Touristen nach ihrer Rückkehr aus tropischen und subtropischen Ländern in Deutschland für drei Wochen den Mückenschutz während der Mückensaison fortsetzen – auch, wenn sie sich gar nicht krank fühlen sollten.
War das dann Pech, das man vernachlässigen kann?
Hölzl: Pech vielleicht in diesem Einzelfall – aber das grundlegende Problem ist keinesfalls zu vernachlässigen. Die Asiatische Tiermücke kann, wie erwähnt, verschiedene tropische Krankheiten übertragen, wie Chikungunya, Dengue und Zika. Und je mehr Tigermücken es gibt, desto größer wird die Möglichkeit von Infektionen, da dann die Chance auf ein Zusammentreffen zwischen Mücke und infiziertem Reiserückkehrer steigt. Daher müssen wir alles tun, um deren Verbreitung einzudämmen.
Wie ist die Lage in Stuttgart und was tut die Stadt dagegen?
Hölzl: Nachdem es in Korntal-Münchingen im Landkreis Ludwigsburg bereits einige Jahre Tigermücken gibt, haben sie sich nachweislich ebenfalls im angrenzenden Stuttgarter Stadtbezirk Weilimdorf angesiedelt. Die Ausbreitung kann vermindert werden, wenn wir zusammen mit den Bürgerinnen und Bürgern die nötigen Gegenmaßnahmen ergreifen.
Die Stadt selbst führt gemeinsam mit der Fachfirma Icybac ein Monitoring und eine Bekämpfung vor Ort durch. Das Monitoring dient dem Nachweis, wo Tigermücken brüten und wie hoch die Populationsdichte ist. Hier sind wir auch für belegbare Hinweise aus der Bevölkerung dankbar, möglichst mit Fotos zur Speziesbestimmung. Außerdem weiten wir unsere Informationskampagne immer stärker aus, mit dem Ziel zu vermitteln, wie die Anwohnerschaft in Weilimdorf, aber auch alle stadtweit gegen die Tigermücke vorgehen können. Es wäre falsch, die Vermeidung von Brutstätten erst dann zu beginnen, wenn die Asiatische Tigermücke schon da ist. Wir müssen als Stadtgemeinschaft, als Bürgerinnen und Bürger, zusammen versuchen, die Weiterverbreitung in weitere Stadtbezirke zu verhindern. Da sitzen wir alle in einem Boot.
Das Gesundheitsamt wird übrigens bei der Einwohnerversammlung in Weilimdorf am Montag, 21. Juli, ab 19 Uhr in der Lindenbachhalle (Solitudestraße 243) mit einem Informations- und Beratungsstand dabei sein. Dort können auch Interessierte aus anderen Stadtbezirken vorbeischauen. Wir haben aber auch die wichtigsten Hinweise und den digitalen Flyer auf der Internetseite der Stadt: https://www.stuttgart.de/tigermuecke
Was sind in aller Kürze die wichtigsten Maßnahmen?
Hölzl: Das Wichtigste ist, mögliche Brutstätten rigoros zu beseitigen. Alle Gegenstände, in denen auf dem Balkon, auf der Terrasse oder im Garten Wasser steht – und seien es noch so kleine Reste – sollen trockengelegt werden. Da muss man genau hinschauen, wo sich nach einem Regenschauer Wasser ansammelt, etwa in Topfuntersetzern, Eimern und Gießkannen, Spielzeug, aber auch Autoreifen, die im Freien lagern.
Und dort wo das Wasser gewollt ist, etwa in Vogeltränken, sollte es alle fünf Tage, spätestens aber wöchentlich ausgetauscht werden. Gießkannen und Eimer dreht man am besten um und Regentonnen brauchen einen fest und vor allem dicht verschlossenen Deckel, zum Beispiel mit einem feinen Netz: Denn die Tigermücke zwängt sich auch durch kleine Spalten und Lücken und findet ohne Schutzmaßnahmen sonst hinein.
Gibt es besondere Lehren aus dem Fall im Elsass?
Hölzl: Den Mückenschutz sollte man nicht nur im Ausland betreiben. Natürlich gilt es, im Reiseland durch lange, luftige Kleidung, Moskitonetze und Antimückenspray so wenig wie möglich gestochen zu werden, um gar nicht erst krank zu werden. Falls es aber doch dazu kommt, sollte man denselben Schutz in den ersten Wochen daheim aufrechterhalten, um das Virus hier nicht weiterzugeben. Weil man während der Inkubationszeit anfangs selbst nicht weiß, ob man sich angesteckt hat, beziehungsweise es auch sehr milde Verläufe geben kann, sollten alle, die im Verbreitungsgebiet von Krankheiten wie Chikungunya, Dengue oder Zika waren, zu Hause den Mückenschutz aus Vorsicht für drei Wochen fortsetzen.
Das Interview führte Harald Knitter.
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