
„Die Aussagen dieses Gutachtens sind ernüchternd“ resümiert Dr. Winfried Klein, Leiter des OB-Büros und des Referats Verwaltungskoordination, Kommunikation und Internationales. „Auch wenn die Kommunen keine finanziellen oder personellen Kapazitäten haben: Sie müssen Bundesrecht vollziehen und dafür notfalls eigene Aufgaben zurückstellen. Anders ausgedrückt: Sie müssen Bundesgesetze vollziehen, bis sie zusammenbrechen.“
Das Gutachten wurde erstellt vor dem Hintergrund der bundesweit dramatischen finanziellen Situation der Kommunen. Auch die Landeshauptstadt Stuttgart muss nach vielen guten Jahren drastisch sparen und wird voraussichtlich wieder Schulden aufnehmen müssen. Mit ein Grund: Der Bund hat in den letzten Jahren zahlreiche Rechtsansprüche beschlossen, die die Kommunen nun erfüllen müssen. Finanziellen Ausgleich gibt der Bund nur begrenzt. Und die Länder erheben im Bundesrat entweder keinen Einspruch oder stimmen sogar zu. Um dies zu prüfen, holte die Landeshauptstadt Stuttgart ein umfassendes Rechtsgutachten ein, das nun vorliegt.
Erstellt wurde das Gutachten von Prof. Dr. Kyrill-Alexander Schwarz, Professor für Öffentliches Recht in Würzburg. Sein Fazit: Die Kommunen haben keinen Anspruch gegenüber dem Bund auf finanzielle Kompensation. Es gibt keine Abhängigkeit zwischen Aufgabenübertragung und Finanzausstattung (Konnexität), weder zwischen Bund und Ländern noch zwischen Bund und Kommunen. Schon gar nicht gibt es einen Anspruch der Kommunen gegenüber dem Bund, Aufgaben zurückzunehmen oder die Erweiterung bestehender Aufgaben zu unterlassen. Nur gegenüber den Ländern haben die Kommunen einen Anspruch auf finanziellen Ausgleich, wenn das Land ihnen Aufgaben überträgt. „Das tut es bei der Umsetzung von Bundesrecht nur in den seltensten Fällen“, so Dr. Winfried Klein. „Also gehen die Kommunen in der Regel leer aus. Rechtsschutzmöglichkeiten haben sie dagegen praktisch nicht.“ Gutachter Schwarz warnt: „Nur leistungsfähige Kommunen können eine tragfähige Grundlage der Demokratie sein. Wenn die Kommunen ihre Aufgaben nicht mehr erfüllen können, nimmt die Gesellschaft irreparablen Schaden!“
Aus Sicht der Kommunen kommt das Gutachten nur in zwei Punkten zu Ergebnissen, die Hoffnung machen: Ruft ein Land Bundesmittel, die ihm zur Verfügung gestellt wurden, nicht ab, dann können die Kommunen dieses Landes die nicht abgerufenen Mittel direkt beim Bund einklagen. Der zweite Punkt: Die Landesregierung darf nicht sehenden Auges die Kommunen durch die Zustimmung zu einem Bundesgesetz überfordern. Aus der auch ihr obliegenden Schutzpflicht gegenüber den Kommunen folgt, dass sie die Belange der Kommunen bei der Festlegung ihres Abstimmungsverhaltens im Bundesrat berücksichtigen muss.