Im späten 18. Jahrhundert, als die Aufklärung in vollem Gange war, entwickelte sich Stuttgart zu einem Zentrum des Bildungsbürgertums. Die Bürger begannen, sich verstärkt für Wissenschaft, Kunst und Philosophie zu interessieren, geprägt von den Ideen des Fortschritts und der Vernunft. In dieser Zeit gründeten aufgeschlossene Stuttgarter Bürger wie der Kaufmann und Mäzen Georg Friedrich Wilhelm von Kienle die erste bürgerliche Bibliothek in der Stadt. Sie sollte allen Interessierten Zugang zu Wissen bieten, unabhängig von Stand und Herkunft.
Die Bibliothek wurde schnell zu einem Ort lebhaften Austauschs. Hier trafen sich Gelehrte, Lehrer und engagierte Bürger, um über die neuesten Ideen der Aufklärung zu diskutieren. Vorträge und Lesungen zu den Werken von Kant, Lessing und Rousseau fanden großen Anklang. Diese Veranstaltungen förderten nicht nur das individuelle Denken, sondern auch ein gemeinschaftliches Bewusstsein für die Verantwortung des Bürgers gegenüber der Gesellschaft.
Ein weiterer wichtiger Ort war das Hohe Brett, ein Bürgerhaus, das als Forum für gesellschaftliche Themen diente. Hier wurden politische und soziale Fragen debattiert, die zur Bildung eines kritischen, mündigen Bürgertums beitrugen. Die aufkommende Bildungsschicht forderte mehr Mitbestimmung in der Stadtpolitik und setzte sich für ein Schulwesen ein, das allen Kindern offenstand – nicht nur den Reichen.
So legte Stuttgart den Grundstein für eine aufgeklärte Gesellschaft, die das Denken und Handeln zukünftiger Generationen prägte. Die Ideen aus dieser Zeit lebten fort und trugen dazu bei, die Stadt zu transformieren, in der Bildung und Wissenschaft eine zentrale Rolle einnahmen.